Update zur Liefersituation der Geräte für die Telematik-Infrastruktur
Sehr geehrter Herr Eibich, obwohl Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in Sachen Telematik gerne Gas geben würde, muss das Bundesgesundheitsministerium offenbar erneut eine Verschiebung des Starts für das Versichertenstammdatenmanagement einplanen. Als Begründung wird angeführt, dass „die Industrie“ notwendige Geräte noch nicht liefern könne. Wo hakt es denn da genau – können Sie ein kurzes Bild der Lage aus Ihrer Sicht zeichnen?
Dass die Industrie nicht liefern könne, ist so erst einmal nicht richtig. Die Industrie kann noch nicht liefern. Wir haben alle Geräte entwickelt, bei Ärzten und Krankenhäusern getestet und gezeigt, dass die Technik funktioniert. Alle Beteiligten haben die Tests auch als gelungen und erfolgreich angesehen. Dann hat sich die Betreibergesellschaft gematik Ende Juni noch einmal letzte Spezifikationsänderungen gewünscht – und man kann natürlich erst in die Serienproduktion einsteigen, wenn man die finale Spezifikationslage hat.
Sie konnten daher also noch keine Geräte vorfertigen?
So ist es. Wenn man am 24. Juni nochmal Spezifikationsänderungen vorgeschlagen bekommt – die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ausformuliert waren – dann fällt das natürlich schwer. Die zweite Herausforderung: Wir müssen ja mit den Konnektoren und den Kartenterminals gemäß diesen geänderten Spezifikationen noch den Zulassungs- und Zertifizierungsprozess für den Online-Produktivbetrieb – durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und die gematik – durchlaufen. Diese Sicherheit kommt natürlich letztendlich allen zugute. Ich will das auch nicht kritisieren. Es kostet aber natürlich auch Zeit. Darauf haben wir wenig Einfluss. Die zuständigen Prüfstellen brauchen nach unserer Einschätzung knapp drei Monate dafür. Erst wenn wir diese Phase komplett durchlaufen haben, startet die industrielle Fertigung.
Wie schnell könnten Sie dann die Produktion aufnehmen?
Natürlich sind die Sachen schon alle bestellt, die Produktion ist bereit. Wir warten jetzt nur darauf, auf den Knopf drücken zu können. Wir sprechen da übrigens von zweistelligen Millionenbeträgen, mit denen man in Vorleistung treten muss. Wenn alles nun reibungslos läuft, werden wir im Herbst dieses Jahres liefern können.
Wann könnten dann alle Praxen versorgt sein?
Dann bleiben laut gesetzlicher Vorgabe rechnerisch nur neun Monate bis zum 30. Juni nächsten Jahres. Das mag nun auch das Ministerium dazu bewogen haben, die Frist zu verschieben. Wir hatten ja ursprünglich für den Rollout einen Zeitraum von eineinhalb Jahren vorgesehen. Das haben wir immer als sportlich aber machbar eingeschätzt. Durch die neuen Spezifikationen hat sich der Zeitraum wieder verkürzt.
Ich denke, es wäre fair gegenüber den Ärzten, wenn man bis zum 31.12. 2018 verschiebt. Damit ließe sich wenigstens der ursprüngliche Zeitrahmen wieder herstellen – und alle hätten eine Chance, nicht in die Sanktionen hineinzulaufen. Aber auch dann muss man jetzt anfangen. Wir können daher nur allen Ärzten raten, mit der Planung zu beginnen und die Praxen rechtzeitig auszustatten. Das hat ja nicht nur mit den Sanktionen zu tun. Es gibt ja auch eine degressive Finanzierungsvereinbarung – von Quartal zu Quartal gibt es weniger Geld für die Praxen. Wer jetzt plant, wird am Ende nicht draufzahlen müssen.
Gehen wir nochmal einen Schritt zurück und schauen auf die Testregionen: Die von der Telekom betreute Testregion Südost lag offenbar im Zeitplan so weit zurück, dass die Betreibergesellschaft gematik nur mit der von Ihnen betreuten Testregion fortfuhr. An dieser Entscheidung hat es Kritik aus der Ärzteschaft gegeben. Die Bedenken: In einer Testregion allein könnten vielleicht gar nicht alle Szenarien – zum Beispiel in Bezug auf Praxisgröße oder IT-Systeme – getestet werden.
Diese Bedenken halte ich für unbegründet. Die Mischung der Testteilnehmer ist ja von der gematik vorgegeben. Dabei wurden alle denkbaren Konstellationen abgedeckt. Schnelle und langsame Internetzugänge, Mehrplatz oder Einzelplatz: Die Auswahl der Testteilnehmer stellt den Test auf eine breite Basis. Da waren nicht nur Technik-Freaks unter den Testärzten – es war wirklich ein Querschnitt.
Verraten Sie uns doch ein wenig mehr über die Resultate der Tests.
Zu den Einzelheiten dürfen wir da nichts sagen. Aber man kann schon festhalten: Es gab zum Verlauf der Tests überwiegend positive Stimmen – von den Krankenhäusern und auch von den Praxen. Auch Herr Dr. Kriedel von der KBV äußert sich positiv darüber. Wir haben in den Tests doppelt so viele Kartenlesevorgänge durchgeführt, wie gefordert waren.
Also 100 statt 50....
Etwa eine Million. Insofern können wir mit Sicherheit sagen: Die Systeme funktionieren.
Es gab aber auch Berichte, in denen beklagt wurde, dass veraltete Karten Probleme machen.
Das ist richtig – und war auch so zu erwarten. Es sind ja noch viele der älteren eGK-Karten (G1 Kartenversion) im Umlauf. Wir können Berichte bestätigen, nach denen in etwa ein Viertel der Karten veraltet waren. Das ist ärgerlich für die Praxen, da sie dadurch einen gewissen Umstand gehabt haben. Aber das ist natürlich auch der Zweck dieser Erprobung gewesen: herauszufinden, ob eine GK gültig ist oder nicht. Also hat sich da gezeigt, dass die Technik wunderbar funktioniert.
Es gab auch Berichte, nach denen der Online-Abgleich der Versichertendaten viel mehr Zeit in Anspruch nimmt als die derzeitigen Lesevorgänge.
In den Praxen ändert sich mit dem Online-Abgleich der Versichertendaten erst einmal wenig. Die Karte muss mindestens einmal im Quartal für jeden Patienten eingelesen werden – und die Dauer des Einlese-Prozesses ist etwa mit dem heutigen vergleichbar. Unsere Systeme führen das in Zeiten durch, die deutlich unter den Vorgaben der gematik liegen. Im Durchschnitt dauert es 3 Sekunden, die Karte einzulesen. So lange dauert es auf einem heutigen Kartelesegerät auch. Wenn die Daten auf der Karte nicht mehr aktuell sind, liegt die Aktualisierungszeit bei rund 6,5 Sekunden. Damit sind die Daten aber auch gleich im Praxisverwaltungssystem aktualisiert. Da muss nichts mehr nachgetragen werden. Das Feedback von den Testpraxen war auch, dass es da keine Beeinträchtigungen gab.
Wenn Sie sich die technischen Ausstattungen der Praxen in Deutschland insgesamt anschauen: Wie gut sind die Ärzte auf die Herausforderungen der Telematik-Infrastruktur vorbereitet? Werden viele Niedergelassene in neue Rechner investieren müssen, um die Telematik-Komponenten installieren zu können?
Wir gehen davon aus, dass ein großer Teil der Praxen ausreichend vorbereitet ist. Ein neuer PC wird in aller Regel nicht erforderlich sein. Das bringt die Technik jetzt nicht mit sich. Es ist eher die Frage, wie viele der IT-Systeme der Praxen auch einen Online-Zugang haben. Vermutlich wird in fast jeder Praxis ein Online-Zugang zu finden sein – aber nicht immer ist das Praxissystem online. Da gibt es nach unseren Erfahrungen – wir sind ja auch größter KV-Safenet-Anbieter im Lande – einen gewissen Nachholbedarf. Dann spielt natürlich die Spezifikation des Systems auch eine Rolle: Hat der Arzt eine Telefonanlage über sein Praxisnetz angeschlossen oder tauschen medizinische Geräte Daten aus. Das muss bei der Konfiguration natürlich berücksichtigt werden. Im Zweifel sollte der Arzt das im Vorfeld der Installation einmal prüfen lassen.
Schauen wir einmal auf die Praxis, die sich mit dem Thema bis heute noch gar nicht beschäftigt hat – nun aber die erforderlichen Schritte gehen möchte. Was muss wann wo angefragt oder bestellt werden?
Da rede ich erst einmal für unsere Kunden, also den Praxen die Albis, Medistar, M1, Datavital oder TurboMed nutzen: Denen bieten wir heute schon eine Lösung, um die Praxis in die Telematik-Infrastruktur zu bringen. Wir haben ein „Frühbucher-Angebot“ bis zum Jahresende, das alle technischen Komponenten – Konnektor, Kartenterminal, Softwaremodul – enthält. Dann gibt es eine Freischaltung zum VPN-Zugangsdienst. Das ist der Online-Dienst, mit dem ich überhaupt erst in die Telematik-Infrastruktur reinkomme. Die Installation vor Ort und die Einweisung in die Systeme gehört auch dazu. Wir haben ein Video auf unserer Homepage, wo der Ablauf der Installation dargestellt wird.
Das beste Angebot nützt wenig, wenn es dann an Technikern mangelt, die auch die Systeme in den Praxen installieren können...
...weshalb wir uns auch auf diesen Part lange vorbereitet haben. Wir haben ein Fortbildungsprogramm für hunderte von Technik-Spezialisten und Support-Kräften aufgelegt, damit wir genug zertifizierte Mitarbeiter im Einsatz haben, die den erforderlichen Wissensstand besitzen.
Dann kommt der Tag X – und das System wird in der Praxis installiert. Kann der Arzt die Patienten an dem Tag dann komplett wegschicken? Wie lange dauert die Installation?
Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Praxisbetrieb in der Regel weiterlaufen kann. Es braucht natürlich ein wenig Vorbereitung, um das Praxisnetz zu konfigurieren – auch muss die Praxis den Institutionsausweis bei der KV bestellen und freischalten. Dann dauert die Installation bei einer durchschnittlichen Praxis aber nur rund eineinhalb Stunden. Dazu kommt noch eine Einweisung der Praxis-Mitarbeiter. Da muss das Praxisteam vielleicht eine halbe Stunde wirklich zuhören. Den Rest kann der Techniker machen, ohne dass der Praxisbetrieb gestört wird.
Sie raten den Ärzten zwar zur frühen Vorbereitung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sehen das etwas anders. „Ruhe bewahren“, sagt Herr Dr. Kriedel von der KBV. Die KVWL rät ihren Mitgliedern gar zum „aggressiven Abwarten“.
Wer jetzt davon spricht, dass die Ärzte abwarten sollten, ist nach meiner Meinung schlecht beraten. Die Förderung sinkt von Quartal zu Quartal. Damit steigt das Risiko einer Zuzahlung. Außerdem kann sich jeder vorstellen, dass die verfügbaren Termine für eine Installation und auch die Ressourcen im vierten Quartal knapp werden, wenn dann plötzlich alle zeitgleich reagieren. Selbst wenn jetzt die Frist um ein halbes Jahr verlängert wird, bleibt der Zeitrahmen eng – und die Förderung sinkt. Daher verstehe ich nicht, dass jemand zum Abwarten aufruft. Wenn es zu Sanktionen oder finanziellen Nachteilen kommt, enden die beim einzelnen Arzt.
Es bleiben Datenschutz-Bedenken bei einigen Ärzten: Sie fürchten um die Sicherheit der Patientendaten – auch ein Grund, warum viele Ärzte noch nicht handeln.
Natürlich kenne ich diese Debatten und die Befürchtungen auch. Daher ist mir wichtig, dass die Ärzte verstehen: Die Telematik-Infrastruktur ist kein Netz, in dem Daten gespeichert werden – die TI transportiert Daten. Die TI ist eine Datenautobahn. An diesem in sich geschlossenen Netz, können auch nur identifizierte und authentifizierte Kommunikationspartner – z.B. die Ärzte – teilnehmen, die sich durch die entsprechenden elektronischen Ausweise absichern.
Jedes Netz kann auch eine Schwachstelle haben.
Das Sicherheitsniveau ist nach unserer Einschätzung eines der höchsten, das es in Deutschland, ja weltweit gibt. Das ist auch dadurch gegeben, dass das Zertifizierungsverfahren durch das BSi auf dem sehr hohem Standard ist. Was die Zertifizierung der Geräte angeht, sind wir bei der Sicherheitsstufe 5 – eine der höchsten. Die Geräte für Online-Banking z.B. sind in der Regel auf Stufe 3. Das Sicherheitsniveau ist für die TI also bei weitem höher.