Unabhängige Finanzierung von hochwertigen medizinischen Leitlinien gefordert
Der Innovationsfonds fördert Projekte, die helfen, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verbessern. Diesen Zweck erfüllen die AWMF-Leitlinien seit vielen Jahren. Doch nur mit einer unabhängigen Finanzierung kann die methodisch aufwändige Arbeit der Fachgesellschaften in der AWMF an hochwertigen Leitlinien künftig aufrechterhalten und weiterentwickelt werden.
Die Leitlinien der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften sind die wesentliche Wissensgrundlage im deutschen Gesundheitssystem. Sie sind die Basis für medizinische Entscheidungen zum Wohle des Patienten sowie Grundlage für die medizinische Fortbildung und Qualitätssicherung. Außerdem unterstützen sie die Versorgungsforschung und helfen, unbearbeitete Forschungsfelder zu identifizieren. Seit über 20 Jahren entwickeln die in der AWMF vernetzten Fachgesellschaften diese unabhängigen wissenschaftlichen Leitlinien. Deren Qualität hat sich kontinuierlich verbessert. Immer mehr Leitlinien weisen mittlerweile die höchste Klasse S3 aus. Doch die Entwicklung von Leitlinien ist aufwändig und kostenintensiv: Je höher deren methodische Qualität, umso höher werden auch die Aufwände, die Leitlinien zu erstellen und aktuell zu halten.
Die Fachgesellschaften stemmen diese Finanzierung bislang alleine. Die Entwicklung der Leitlinien erfolgt ehrenamtlich durch die Mitglieder der Leitlinien-Gruppe. Erhebliche Kosten entstehen beispielsweise für Literaturrecherchen und Evidenzbewertungen, die Nutzung von Datenbanken, Treffen der Leitliniengruppe und öffentliche Konsultationsverfahren. „Fachgesellschaften stoßen bei den stetig steigenden Qualitätsanforderungen und dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der notwendig ist, um mit dem aktuellen medizinischen Wissensstand Schritt zu halten, an ihre Grenzen“, betont AWMF-Präsident Professor Dr. med. Rolf Kreienberg. „Um künftig die hohe Qualität zu halten und noch mehr Leitlinien der Klasse S3 entwickeln zu können, wird für die Leitlinien-Arbeit eine unabhängige Finanzierung benötigt“, ergänzt Professor Dr. med. Ina B. Kopp, Leiterin des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi). Nur so ließen sich die internationalen Qualitätsstandards einschließlich redaktioneller Unabhängigkeit bewahren. „Leitlinien definieren den Goldstandard der Versorgung. Davon profitiert das gesamte Gesundheitssystem. Es wäre daher naheliegend, wenn sie künftig über den Innovationsfonds des G-BA finanziert werden“, so Professor Kopp. Durch eine solche Finanzierung ließen sich auch offene Themen oder neue Herausforderungen angehen. So wäre es beispielsweise wichtig, mehr Leitlinien mit ihren verlässlichen Informationen den Bürgerinnen und Bürgern in einer verständlichen Sprache zugänglich zu machen. Außerdem müssten die Bedürfnisse spezieller Bevölkerungsgruppen wie die von Kindern, alten Menschen oder Patienten mit mehreren Erkrankungen besser in Leitlinien abgebildet werden. Um Leitlinien noch unmittelbarer in den Versorgungsalltag zu integrieren, wäre zudem deren Digitalisierung notwendig.
Die AWMF unterstützt die Leitlinienentwicklung der Fachgesellschaften durch methodische Hilfen und Beratung. Außerdem sichert sie deren Qualität, indem neue Leitlinien-Projekte für das Leitlinien-Register der AWMF angemeldet werden müssen und von der AWMF geprüft werden. Eine unabhängige Finanzierung und der transparente Umgang mit Interessenkonflikten der Leitlinien-Autoren sind dabei Grundvoraussetzung für die Aufnahme in das AWMF-Register. Zudem werden entsprechend internationaler Standards weitere Kriterien der systematischen Entwicklung geprüft und die Leitlinien entsprechend klassifiziert, von S1 bis S3. S3 stellt die „Königsklasse“ höchster methodischer Qualität dar. „Die Qualitätssicherung durch die AWMF hat sich bewährt. Sie ist auch bereits in anderen Förderprogrammen, die auf höchste Leitlinienqualität -S3- setzen hilfreich und erfolgreich“ erläutert Professor Kreienberg und nennt dazu das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien von AWMF, Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung sowie das Leitlinienprogramm Onkologie von AWMF, Deutscher Krebsgesellschaft und Deutscher Krebshilfe. „Die bestehenden Programme finanzieren jedoch nur einen Bruchteil der heutigen S3-Leitlinien und reichen nicht aus, um die bestehenden Qualitätsstandards vieler S3-Leitlinien zu halten oder neue Herausforderungen anzugehen“, ergänzt Professor Kopp.
Bei einer Finanzierung durch den Innovationsfonds würden die AWMF und ihre Fachgesellschaften unverändert für die Qualitätssicherung der Leitlinien garantieren. „Die AWMF und ihre Mitgliedsgesellschaften haben in den letzten Jahrzehnten bewiesen, dass sie das können“, so Professor Kreienberg. „Alle in unserem Gesundheitssystem verlassen sich darauf, dass es qualitätsgesicherte, hochwertige Leitlinien gibt, die kontinuierlich weiterentwickelt und aktuell gehalten werden“, so der AWMF-Präsident, „dann ist es auch notwendig, dass Gelder des Gemeinwesens in deren Entwicklung fließen.“
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 178 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.