Umsetzung von eAU und E-Rezept: Unausgereift, überstürzt und unterfinanziert
Zwei neue digitale Massenanwendungen in der sogenannten Telematikinfrastruktur (TI) sollen am 1. Januar 2022 für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zum Standard werden: die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und das elektronische Rezept (E-Rezept). „Wir wollen digitalisieren. Die hessischen Zahnärztinnen und Zahnärzte haben sich mit den erforderlichen und bisher verfügbaren Komponenten ausgestattet, um die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren technisch unterstützen zu können“, betont Stephan Allroggen, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen. „Die Praxen haben sich mit einem hohen Aufwand auf die digitalen Anwendungen vorbereitet und erhoffen sich davon mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten. Wenn die Anwendungen im Praxisalltag ankommen, sollten sie Erleichterungen und Entlastungen in der Versorgung mit sich bringen. Die aktuellen Entwicklungen sorgen allerdings dafür, dass wir an Grenzen der Akzeptanz und des Machbaren stoßen.“
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) startete im Herbst 2021 mit einer Einführungsphase. Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle erforderlichen technischen Voraussetzungen flächendeckend verfügbar. Deshalb gilt bis Ende des Jahres eine Übergangsregelung, in der weiterhin das Papierverfahren genutzt werden darf. Das seitdem beobachtete hohe Fehleraufkommen lässt in der Zahnärzteschaft Zweifel daran aufkommen, dass die rein digitale Übermittlung der eAU ab 1. Januar 2022 flächendeckend und reibungslos funktioniert. Ähnliches gilt für das elektronische Rezept (E-Rezept): Dazu laufen seit Sommer 2021 in ausgewählten Regionen Tests. Daran nahmen allerdings weit weniger Anwenderinnen und Anwender teil als vorgesehen. Somit konnte bisher nur ein Bruchteil der für aussagefähige Tests erforderlichen Anzahl an echten E-Rezepten umgesetzt und abgerechnet werden. Dennoch ist der Starttermin 1. Januar 2022 weiterhin gesetzt.
Dazu sagt Stephan Allroggen: „Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, zwei unausgereifte Anwendungen zu nutzen, die statt des erhofften Mehrwertes zunächst nur Mehraufwand mit sich bringen und im schlechtesten Fall die Arbeitsfähigkeit der Praxen zunächst massiv einschränken werden. Das geht an unserer Berufswirklichkeit vorbei. Hinzu kommt, dass einige der zur Nutzung der Anwendung installierten Komponenten mit Blick auf die Weiterentwicklung der Telematikinfrastruktur schon heute veraltet sind. Das wird die bestehende Finanzierungssituation noch weiter verschärfen. Die Beträge für die Ausstattung mit Hard- und Software-Komponenten, die durch die vereinbarten Erstattungspauschalen gedeckt sind, entsprechen schon jetzt bei Weitem nicht den Preisen, die die Industrie für diese Komponenten aufruft. Diese zunehmende Unterfinanzierung für gesetzlich angeordnete Digitalisierungsmaßnahmen ist nicht mehr hinnehmbar.“
Statt die Praxen mit einer überstürzten Einführung von Anwendungen mit fraglicher Funktionalität und Honorarkürzungen für die Nichtimplementierung weiter zu verunsichern und zu frustrieren, sollte die neue Führung des Bundesgesundheitsministeriums als Hauptanteilseigner der gematik den Fokus auf ausreichende Übergangsfristen und Planungssicherheit bei der Finanzierung legen“, fordert der KZVH-Vorstandsvorsitzende.