Süße Ungeduld: Wie positive Gefühle unsere Zeitwahrnehmung beeinflussen
Obwohl wir uns vornehmen auf größere Belohnungen – eine Weltreise, die Strandfigur, den guten Abschluss – hinzusparen oder hinzuarbeiten, entscheiden wir häufig impulsiv und wählen doch kurzfristige, wenn auch kleinere Belohnungen – den Wochenendtrip, die Pizza, den Kinofilm. Dies führt dazu, dass die große Belohnung schwerer zu erreichen ist. Wenn impulsive Entscheidungen überhandnehmen und wir uns nur noch für die schnelle Belohnung entscheiden, kann das langfristig zu Problemen führen. Daher interessiert nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Therapeut*innen, Pädagog*innen oder Ärzt*innen, wie die psychologischen Mechanismen hinter diesen oft unbewussten Entscheidungen funktionieren.
Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung konnte einen bisher unbekannten Grund für impulsives Verhalten zeigen. Demnach führen die positiven Emotionen, die der Gedanke an die zur Auswahl stehenden Belohnungen auslöst, zu einer verzerrten Zeitwahrnehmung. Die Dauer bis zur Weltreise oder bis zum Abschluss fühlt sich subjektiv länger an, als sie ist. Und so entscheiden sich viele Menschen für die kurzfristige Belohnung.
Um diesen Mechanismus zu untersuchen, hat Corinna Laube, während ihrer Promotion am Forschungsbereich Adaptive Rationalität, zwei unabhängige, aber ähnlich aufgebaute Versuche mit je 23 und 56 Proband*innen durchgeführt. Die Proband*innen nannten ihre beliebtesten Freizeitaktivitäten und schätzten deren Wert in Euros. Anschließend wurden sie vor die Wahl gestellt: eine günstigere Freizeitaktivität, zum Beispiel Minigolf, gleich heute oder eine teurere, wie einen Spa-Besuch, in zwei Wochen? Im nächsten Schritt wurde ihnen auch ein den Aktivitäten entsprechenden Geldbetrag angeboten. Sie könnten zum Beispiel 15 Euro heute oder 40 Euro in zwei Wochen bekommen. Schließlich mussten die Proband*innen noch ihre subjektive Einschätzung zu zukünftigen Zeitspannen angeben, während sie entweder an die Freizeitaktivität oder das Geld dachten: Fühlen sich zwei Wochen lang oder kurz an?
Die Ergebnisse zeigten, dass Proband*innen sich erstaunlicherweise häufiger für die kleinere, aber sofortige Freizeitaktivität entschieden als für den entsprechenden, kleineren Geldbetrag. Gleichzeitig kam Probanden dieselbe Zeitspanne länger vor, wenn sie an ihre liebsten Freizeitaktivitäten dachten, als wenn sie bloß an den entsprechenden Geldbetrag dachten. Die auf Freizeitaktivitäten gerichteten positiven Emotionen führen somit dazu, dass Menschen zukünftige Zeitspannen als länger wahrnehmen, während der Gedanke an Geld eher weniger Emotionen auslöst und die Zeitwahrnehmung nicht beeinflusst. Zwei Wochen bis zum Spa-Besuch fühlen sich demnach länger an, als zwei Wochen bis zur Auszahlung von 40 Euro.
„Entscheidungen, die mit positiven Gefühlen verbunden sind, führen zu einer veränderten Wahrnehmung zukünftiger Zeitspannen, was wiederum Menschen impulsiver handeln lässt“, sagt Corinna Laube, inzwischen Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsbereich Entwicklungspsychologie. „Mit diesem Wissen könnten neue psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten für Menschen entwickelt werden, die zu impulsiven Entscheidungen neigen. Jemand, der gelernt hat zukünftige Zeitspannen objektiver und realistischer einzuschätzen, ist geduldiger und kann leichter auf die größere Belohnung warten.“