Personalisierung im Internet: Passgenaue Angebote oder ungewollte Beeinflussung?
Um uns möglichst passende und unseren Interessen entsprechende Ergebnisse zu liefern, sammeln Algorithmen unsere persönlichen Daten und analysieren unser Online-Verhalten. Aus den gewonnenen Daten können sie sensible Information über uns ableiten und unsere digitale Umgebung gestalten. Im Ergebnis erhalten wir personalisierte Werbung, Kaufempfehlungen und Suchmaschinenergebnisse, auf deren Basis wir Entscheidungen treffen. Eine repräsentative Online-Umfrage des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der University of Bristol zeigt, dass den Deutschen mehrheitlich durchaus bewusst ist, dass Künstliche Intelligenz im Internet eingesetzt wird. Sie akzeptieren auch Personalisierungen, wenn es um Shopping, Unterhaltung oder Suchmaschinenergebnisse geht. Doch zeigt die Umfrage deutlich, dass Nutzer*innen gegen Personalisierungen von Nachrichten oder politischer Werbung im Internet sind. Obwohl die Bedenken der Deutschen hinsichtlich des Datenschutzes hoch sind und sie in der Mehrheit die Verwendung ihrer persönlichen Daten für inakzeptabel halten, finden viele Befragte die Personalisierung bestimmter Dienste in Ordnung. Gleichzeitig kennen und nutzen nur wenige die Privatsphäre-Maßnahmen.
Im Detail zeigt die Umfrage, dass 86 Prozent der Befragten mehr oder weniger wissen, was Künstliche Intelligenz bedeutet. 70 Prozent bringen Künstliche Intelligenz mit persönlichen Assistenten, wie Siri oder Alexa, in Verbindung. Dass auch für Ergebnisrankings von Suchmaschinen und Werbung in sozialen Medien Künstliche Intelligenz eingesetzt wird, wissen weniger als 60 Prozent der Befragten.
Musiktipp? Gerne, aber nicht aus meiner E-Mail
Wie die Personalisierung von Diensten von Nutzer*innen wahrgenommen und ob sie akzeptiert wird, hängt letztlich sehr davon ab, um was es geht. So finden fast 80 Prozent der Befragten die Personalisierung von Restaurant-, Film- oder Musikempfehlungen einigermaßen oder sehr akzeptabel. Bei personalisierten Nachrichten aus politischen Kampagnen sind es nur 39 Prozent und bei personalisierten Beiträgen in Social-Media-Feeds 43 Prozent.
Weit verbreitet ist hingegen die Ablehnung gegenüber der Verwendung sensibler, persönlicher Informationen für die Personalisierung, wie sexuelle Orientierung, religiöse Ansichten oder persönliche Ereignisse. Nur Alter und Geschlecht finden 59 und 64 Prozent akzeptabel. Ebenso lehnen über 80 Prozent der Befragten ab, dass Inhalte von E-Mail- und Online-Nachrichten oder Informationen über Online-Interaktionen für die Personalisierung verwendet werden.
„Hier zeigt sich eine Diskrepanz in der Einstellung. Einerseits akzeptiert die Mehrheit maßgeschneiderte Unterhaltungsangebote, Suchergebnisse und Werbeanzeigen. Andererseits aber lehnt sie das derzeitige Sammeln von Daten ab, die eine solche Personalisierung ermöglicht“, sagt Stefan Herzog, Leiter des Forschungsschwerpunktes „Stärkung von Entscheidungskompetenzen“ („Boosting“) im Forschungsbereich Adaptive Rationalität des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.
Privatsphäre-Einstellungen bleiben eher Theorie
Eine Diskrepanz wird auch deutlich, wenn man die deutschen Internetnutzer*innen nach ihrer Einstellung und ihrem Verhalten zum Datenschutz befragt. Zwar gaben 82 Prozent aller Befragten an, dass sie hinsichtlich des Datenschutzes sehr oder ein wenig besorgt sind. Jedoch ist der Anteil derer, die etwas unternehmen, um ihre Privatsphäre online zu schützen, im Vergleich klein. Lediglich 37 Prozent nutzen dafür die Privatsphäre-Einstellungen auf Online-Plattformen. Und 20 Prozent gaben an, dass sie sich nicht mit Datenschutz-Einstellungen beschäftigt haben beziehungsweise keine Datenschutz-Werkzeuge nutzen.
„Trotz hoher Bedenken zum Datenschutz ergreifen nur wenige Nutzer*innen Maßnahmen zum Schutz ihrer Privatsphäre. Damit sich das ändert, sollten die Datenschutz-Funktionen der Online-Dienste leichter zugänglich, einfacher erklärt und einfacher nutzbar sein“, sagt Anastasia Kozyreva, Wissenschaftlerin im Forschungsbereich Adaptive Rationalität des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.
Unabhängig von der politischen Orientierung der Befragten gibt es Einigkeit darüber, welche maßgeschneiderten Dienste akzeptabel sind und welche nicht. Das gleiche Bild ergibt sich hinsichtlich der Sammlung und Nutzung sensibler Informationen: Die Mehrheit hat ähnlich große Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. „Es ist sehr interessant, dass wir bei der Einstellung zu Personalisierung und Privatsphäre keine politische Polarisierung sehen. Politische Maßnahmen, die darauf abzielen, die Privatsphäre zu schützen und Personalisierungen zu regeln, würden bei den Bürgern unabhängig von ihren politischen Überzeugungen auf Zustimmung stoßen“, sagt Stephan Lewandowsky, Professor für Kognitionswissenschaften an der University of Bristol.