Neue Vorschläge zur Notfallversorgung: Schulterschluss der Ärzteschaft
Das Konzept von Marburger Bund (MB) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) sieht die Einrichtung zentraler Anlaufstellen für Akut- und Notfallpatienten an Krankenhäusern vor (sogenannte „gemeinsame Tresen“). Es definiert Anforderungen an deren Struktur und Arbeitsweise und benennt Gütekriterien für Instrumente zur standardisierten medizinischen Ersteinschätzung, die dort zum Einsatz kommen sollen. Für die weniger dringenden Fälle sieht das Konzept eine enge Kooperation mit den Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) vor. Durch den bereits geplanten Ausbau der deutschlandweiten Rufnummer 116117 des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes und deren Verknüpfung mit der Notrufnummer 112 werde die notwendige Struktur etabliert, um eine Weiterleitung und schnelle Terminvergabe zu ermöglichen, heißt es in dem Papier.
„Wir sagen es immer wieder: Wenn die Politik der Ärzteschaft einfach mehr Vertrauen entgegenbringen würde, dann wären wir in manchen Dingen sehr viel weiter. Das gemeinsame Konzept von MB und KBV ist der beste Beweis. Wir haben bei dem umstrittenen Thema Notfallversorgung bewusst den Schulterschluss mit den klinischen Kollegen gesucht und gefunden. Es ist im Interesse aller Beteiligten, die Notaufnahmen in den Krankenhäusern zu entlasten. Auch bei der Versorgung im Akutfall gilt der Grundsatz: ambulant vor stationär. Beide Seiten unterstützen dies ausdrücklich“, konstatierte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen, bei der heutigen Vorstellung des Konzepts in Berlin.
Auch der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, betonte das gemeinsame Vorgehen aller Beteiligten: „In der Notfallversorgung brauchen wir mehr Kooperation und Koordination, um Patienten so gut wie möglich und so adäquat wie möglich zu versorgen. Das Konzept von Marburger Bund und Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist an diesem Grundgedanken ausgerichtet. Wir wollen die bestehenden Strukturen und Abläufe durch kollegiale Zusammenarbeit der unmittelbar Beteiligten verbessern. Dafür brauchen wir keinen neuen Sektor Notfallversorgung mit neuen Schnittstellen zu anderen Bereichen, sondern einen vernünftigen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen, der Standards setzt.“
Bereits im September 2017 hatten die KBV und der MB ein gemeinsames Konzept zur Reform der Notfallversorgung vorgelegt. Dieses haben die beiden Ärzteverbände nun weiter ausgearbeitet. Ziel ist eine bedarfsgerechtere Steuerung der Patienten und ein optimaler Einsatz der personellen Ressourcen. „Statt die Notfallversorgung als eigenständigen dritten Sektor zu etablieren, verfolgen wir einen integrativen Ansatz“, betonte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Stephan Hofmeister. Die Steuerung der Patienten, vom telefonischen oder persönlichen Erstkontakt bis zu ihrer Zuordnung in die richtige Versorgungsstufe, soll künftig mithilfe eines Instruments zur standardisierten Ersteinschätzung erfolgen. „Derzeit wird hierfür die Software SmED (Standardisierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland) in vielen KVen erprobt“, so Hofmeister.
Das Konzept für die gemeinsame Anlaufstelle erläuterte Dr. Susanne Johna, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bundes: „Wir verfolgen einen integrativen Ansatz, der auf ärztlicher Kooperation beruht. Es geht darum, die vertragsärztliche und stationäre Akut- und Notfallversorgung strukturell miteinander zu verzahnen. Diesem Ziel dient die gemeinsame Anlaufstelle am Krankenhaus, wo zunächst nach klaren und transparenten Kriterien entschieden wird, welche Versorgung für den Patienten im konkreten Fall notwendig ist, um diese dann vor Ort direkt einzuleiten.“
Das Papier „Eine Gemeinsame Anlaufstelle für die Akut- und Notfallversorgung in Deutschland“ sowie das Papier „Gütekriterien für ein Instrument zur standardisierten Ersteinschätzung von Notfallpatienten“ sind auf den Webseiten der KBV (www.kbv.de/html/notfallversorgung.php) beziehungsweise des MB (www.marburger-bund.de/notfallversorgung) abrufbar.