"Man muss neugierig sein"
Herr Prof. Dr. Wahl, Sie haben seit Ihrer Approbation im Jahr 1975 praktisch Ihr ganzes Berufsleben an der Uni verbracht. Warum haben Sie sich damals für die Wissenschaft entschieden?
Ich habe zunächst ein Jahr als Stabsarzt bei der Bundeswehr praktiziert, und bin dann an die Universität gegangen, weil ich die Weiterbildung für Oralchirurgie machen wollte. Es gab damals viele Fragestellungen in der noch jungen Implantologie, die mich interessierten. Es war dann mehr das Interesse an der Lösung von Fragen als die bewusste Entscheidung, Wissenschaftler zu werden. Aus der Arbeit im Team haben sich Erkenntnisse entwickelt, die gemeinsam publiziert wurden. Und dann hat einer meiner Mentoren mir gesagt, wenn ich schon so weit wäre, dann könnte ich auch habilitieren. Das war zudem auch möglich, da ich meine Stelle an der Universität noch behalten konnte, was nicht immer gesichert ist. Dann war ich habilitiert, und es stellt sich sofort wieder die Frage: Weiter an der Universität, ja oder nein. Und wenn ja, mit welcher Perspektive. Ich hatte mir damals eine Deadline gesetzt, und das würde ich auch jedem jungen Wissenschaftler empfehlen. Man geht den Weg, weil es einem Spaß macht, und wenn sich keine Perspektive ergibt, muss man sich überlegen, ob man nicht besser in die Praxis geht, allein um eine wirtschaftliche Basis zu haben. Die meisten bleiben nur eine befristete Zeit an der Universität, um sich hier besondere Kenntnisse anzueignen und weil Teamarbeit Freude macht. Der eine findet viel Spaß daran, der andere weniger. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Stellenangebot im akademischen Mittelbau heute deutlich geringer ist als früher und befristete Stellen auch mehrfach hintereinander geschaltet werden müssen.
Für wen eignet sich der Weg in die Wissenschaft?
Man muss neugierig sein und bereit dazu, sich in bestimmte Methoden einzuarbeiten, die mit der eigentlichen Zahnmedizin gar nichts zu tun haben, zum Beispiel Labormethoden oder Histologie. Und man muss teamfähig sein und die gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen akzeptieren.
Sollte der Einstieg in die Forschung generell möglichst zeitnah an die Promotion anschließen?
Die Promotion ist oft der Einstieg in die Wissenschaft, weil man meist schon in einer Gruppe mitarbeitet. Es gibt immer weniger Arbeiten, die der Promovierende ganz allein macht. Er ist häufig Teil eines Teams und bekommt nur eine spezifische Fragestellung. Dann ergeben sich immer noch weitere offene Fragen, und man will da weiter machen. Wenn man promoviert ist, bedeutet das aber nicht, dass man sich im Anschluss ausnahmslos weiter mit diesem Bereich allein beschäftigt. Es gibt an den Kliniken natürlich auch andere Zielrichtungen in der wissenschaftlichen Ausrichtung. Und dann gibt es vor allen auch immer mehr Fragestellungen, die interdisziplinär geprägt sind, da sich Erkrankungen der Zahnmedizin auf den Gesamtorganismus und umgekehrt auswirken können. Wenn man aber nach der Promotion nichts mehr macht, verliert man schnell den Anschluss an das wissenschaftliche Arbeiten.
Wie sieht der Stellenmarkt aus?
Der Stellenmarkt an den Kliniken ist hart umkämpft, es gibt mehr Bewerber als Stellen. In der Oralchirurgie, der Kieferorthopädie oder der Parodontologie - also in Bereichen, in denen man einen Fachzahnarzt-Titel erwerben kann - ist das Interesse am größten.
Welchen Tipp würden Sie jungen Zahnmedizinern, die vor Entscheidung Uni oder Niederlassung stehen, mit auf den Weg geben?
Der erste wichtige Schritt ist die Entscheidung für eine Promotion. Das ist außerhalb der Universität kaum noch möglich. Man sollte sich möglichst frühzeitig im Studium um ein Promotionsthema bemühen. Und wenn man Interesse für das wissenschaftliche Arbeiten entwickelt, kann man eine Stelle an der Universität annehmen und mit seinem Professor besprechen, wie man in dieser Richtung am besten weiterarbeitet. Für sich selbst muss man die Entscheidung treffen, ob man daran Spaß hat, wie lange man sich das als Hobby gönnt oder ob man wirklich von vornherein vor Augen hat, an der Hochschule zu bleiben. Dann hat man sowieso keine Wahl, dann muss man den wissenschaftlichen Weg gehen und gleichzeitig Spaß an der Ausbildung junger Kolleginnen und Kollegen haben.