KI gegen Karies
Die Analyse von Röntgenbildern nimmt in der Zahnarztpraxis gewöhnlich viel Zeit in Anspruch und ist dennoch selten perfekt: Hat der untersuchende Arzt wenig Zeit oder Erfahrung, wirkt sich das auf die Qualität der Diagnose und auf die daraus abgeleitete Therapie aus. Um das Problem zu lösen, setzen der Zahnmediziner Professor Falk Schwendicke und sein Mitgründer Dr. Joachim Krois auf Künstliche Intelligenz. Vor drei Jahren begannen sie mit einem inzwischen zehnköpfigen Team mit der Entwicklung von dentalXrai Pro. Die Software ermöglicht mithilfe von KI-Algorithmen die automatisierte Analyse von zahnmedizinischen Röntgenbildern. Karies, Infektionen oder Restaurationen wie z.B. Kronen, Implantate oder Wurzelfüllungen erkennt die Software zuverlässig und hebt die Befunde farblich hervor. Die automatisierte Befundung spart Zahnärzt*innen damit Zeit.
„Die KI übernimmt dabei nicht die Verantwortung für die Zahnuntersuchung und entscheidet auch nicht über Therapien“, betont Schwendicke, Leiter der Abteilung Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung an der Charité. „Aber sie hebt die Zahnmedizin auf ein standardisiert hochwertiges Niveau und beschleunigt die Analyse von Röntgenbildern enorm, sodass Ärzt*innen die Zeit sinnvoller für das Gespräch mit den Patient*innen nutzen können.“
Von digitalen Röntgenbildern zur automatisierten Diagnose
Die meisten Zahnarztpraxen nehmen ihre Röntgenbilder bereits digital auf. Diese lassen sich mit wenigen Klicks an dentalXrai Pro übergeben. Die browserbasierte Software greift auf Hochleistungsrechner und ein ganzes Ensemble von Algorithmen für verschiedene Befunde zurück und stellt innerhalb von wenigen Sekunden ein vorbefundetes Bild zur Verfügung. Diese Algorithmen sind das Ergebnis eines intensiven „Trainings“ der Software. Zahnärzt*innen renommierter Kliniken rund um den Globus markierten auf Röntgenbildern zehntausende pathologische Veränderungen und Spuren früherer Behandlungen im Gebiss. Damit „fütterten“ Schwendicke und sein Team künstliche neuronale Netzwerke. Diese identifizieren statistische Muster in den Daten und können so auf Röntgenbildern in der Praxis zum Beispiel Karies, Infektionen und Wurzelfüllungen voneinander unterscheiden.
Bereits zweite Ausgründung des BIH Digital Health Accelerator
Die Entwicklung von dentalXrai profitierte vom Forschungs- und Versorgungsumfeld an der Charité und vom BIH Digital Health Accelerator (DHA). Das Förderprogramm von BIH Innovations, dem gemeinsamen Technologietransfer der Charité und des Berlin Institute of Health, unterstützt Innovator*innen dabei, aus ihren Konzepten digitale Produkte zu entwickeln und in die medizinische Anwendung zu überführen.
„Der Digital Health Accelerator hat dentalXrai von der Prototypenentwicklung bis hin zur Ausgründung unterstützt: mit Fördermitteln, Mentoring durch interdisziplinäre Experten, Unterstützung beim Teamaufbau, sowie dem kollaborativen Arbeitsumfeld im DHA Co-Working Space“, sagt Thomas Gazlig, Direktor von BIH Innovations. „In dem Projekt sahen wir von Anfang an Potenzial und großen Nutzen für Patient*innen.“ Mit der Unternehmensgründung endet die BIH-Förderung, aber dentalXrai bleibt im Innovationsökosystem um die Charité und das BIH vernetzt. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Start-up erneut einen Translationserfolg durch eine Ausgründung begleiten konnten. Das sind die ersten Früchte aus drei Jahren harter Aufbauarbeit des Digital Labs-Teams. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung, die bei einem wirtschaftlichen Erfolg auch Mittel für neue Entwicklungsprojekte aus BIH und Charité schaffen wird.“
DentalXr.ai als digitale ‚Zweitmeinung‘ in der Zahnarztpraxis
Momentan arbeiten Mediziner*innen, Datenwissenschaftler*innen und Softwareentwickler*innen bei dentalXrai. In den nächsten Monaten soll sich das Team weiter vergrößern und diversifizieren. „Jetzt geht es um den Vertrieb“, so Schwendicke, „wir wollen unsere Netzwerke nutzen und Business Partner*innen finden, die unsere Software in die Zahnarztpraxen bringen. Dort erleichtert sie nicht nur den Ärzten*innen ihre Arbeit. Sie hilft auch, die Patienten*innen in die Diagnose einzubeziehen, und schafft Vertrauen durch die ‚Zweitmeinung‘ eines digitalen Kollegen.“