England: Verschreibungen von Dentalantibiotika zugenommen
Der höchste Anstieg wurde verzeichnet, als von März bis Juni 2020 während der ersten COVID-19-Welle die Zahnarztpraxen geschlossen blieben, und auch seitdem ist nur ein sehr langsamer Rückgang zu beobachten. Die diesen Erkenntnissen zugrunde liegenden Daten wurden heute von der britischen Regierung im Vorfeld der World Antimicrobial Awareness (AMR) Week der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht.
https://www.who.int/campaigns/world-antimicrobial-awareness-week/2021„Die COVID-19-Pandemie war gnadenlos“, erklärte Wendy Thompson, Mitglied der Arbeitsgruppe für antimikrobielle Resistenzen (AMR) der FDI World Dental Federation.
„Der Einsatz von Antibiotika als Kompensation für einen mangelnden Zugang zur dentalen Notversorgung stellt jedoch ein Risiko für die Patientensicherheit dar und sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Wir müssen Patientinnen und Patienten mit akuten Zahnschmerzen oder Infektionen behandeln und nicht medikamentieren.“
Noch im Frühjahr 2021 gaben vier Fünftel der Befragten in England an, Schwierigkeiten mit einer zeitnahen Behandlung ihrer Zahnprobleme zu haben. Laut Healthwatch England stellt die Zahnmedizin das größte Problem dar, mit dem sich die Organisation derzeit befassen muss. Die Zahl der Rückmeldungen aus der Bevölkerung ist aktuell fast achtmal höher als im Vergleichszeitraum 2020.
Antibiotika werden normalerweise nur bei schweren Infektionen behandlungsbegleitend verabreicht, um die vorhandene Infektion zu bekämpfen. Die alleinige Gabe von Antibiotika entspricht hingegen in den seltensten Fällen den Leitlinien. Da es im letzten Jahr jedoch für viele Briten nahezu unmöglich war, einen Zahnarzttermin zu bekommen, wurden in Fällen Medikamente verschrieben, in denen eine zahnärztliche Behandlung in der Regel die schnellere und sicherere Option gewesen wäre.
„Die Verschreibung von Antibiotika ist, wenn sie nicht unbedingt notwendig ist, ein Problem, weil sie die Entwicklung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Infektionen vorantreibt“, erklärt Thompson.
Innerhalb der nächsten 30 Jahre werden mehr Menschen an resistenten Infektionen sterben als an Krebs, wenn jetzt nichts gegen diese Entwicklung getan wird. Laut Prognose der WHO werden antimikrobielle Resistenzen bis 2050 die weltweit häufigste Todesursache sein.
„Wir müssen klar Stellung beziehen und uns verpflichten, Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen zu ergreifen. Und wir müssen der Öffentlichkeit klarmachen, worum es bei einem angemessenen Einsatz von Antibiotika in der Zahnmedizin überhaupt geht und welche Wirkung diese auf die Patienten haben“, erläutert Professor Ihsane Ben Yahya, Präsident der FDI World Dental Federation und Dekan der zahnmedizinischen Fakultät der Universität Mohammed VI im marokkanischen Casablanca.
„Und was genauso wichtig ist: Wir müssen uns dafür einsetzen, dass auch die Zahnmedizin in die nationalen Aktionspläne gegen Antibiotikaresistenz aufgenommen wird. Das bedeutet, evidenzbasierte Leitlinien zum Einsatz von Dentalantibiotika zu entwickeln, wo diese noch nicht bestehen, aber auch Prüfungen hinsichtlich angemessener Verschreibungen durchzuführen.“