Deutschlands Dreijährige mit hohem Kariesrisiko
Milchzähne besonders kariesgefährdet
„Milchzähne sollten genauso viel Beachtung und Pflege wie die bleibenden Zähne erfahren, denn sie sind empfindlicher und gleichzeitig wichtig für ein späteres, gesundes Gebiss“, kommentiert Prof. Dr. Stefan Zimmer von der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) die Ergebnisse der DAJ-Studie. Milchzähne sind besonders anfällig für Karies, da ihr Zahnschmelz nur halb so dick ist wie der von bleibenden Zähnen. „Gleichzeitig ist der Mineralstoffgehalt des frischen Zahnschmelzes der Milchzähne deutlich geringer“, erläutert Zimmer. Mangelnde Mundhygiene, fehlende oder unzureichende Fluoridierung und falsche Ernährung, zum Beispiel mit zuckerhaltigen Getränken, führen dann sehr schnell zu Karies. Wird die Karies nicht rechtzeitig behandelt und fallen die Zähne sogar aus oder müssen gezogen werden, kann dies zu Fehlstellungen der nachfolgenden Zähne führen, denn die Milchzähne dienen als Platzhalter. „Aber das ist nicht die einzige Funktion der Milchzähne“, führt Zimmer weiter aus: „Sie sind wichtig für die Sprachentwicklung, das Gesichtswachstum, haben eine hohe Bedeutung für die Psyche des Kindes und werden last but not least zum Kauen benötigt. Ein nicht funktionsfähiges Milchgebiss kann deshalb zu einer Mangelernährung führen und außerdem tun kariöse Zähne weh. Wir sollten alles daran setzen, unseren Kindern diese Probleme zu ersparen.“
Kariesprophylaxe ab dem 1. Zahn
Dabei ließe sich Milchzahnkaries gut vermeiden, so Zimmer und weist auf die 4 Säulen der Kariesprophylaxe hin: regelmäßige Zahnpflege ab dem 1. Zahn, zahngesunde Ernährung ohne häufigen Zuckerkonsum, Anwendung von Fluoriden mit fluoridhaltiger Zahnpasta und fluoridiertem Speisesalz ab dem 2. Lebensjahr sowie regelmäßige Kontrollen durch den Zahnarzt – in der Praxis und über die Gruppenprophylaxemaßnahmen in Kindertagesstätten.
„Vielen Eltern ist nicht bewusst, dass Kariesprophylaxe ab dem ersten Zahn beginnt“, sagt Zimmer. Die ersten Zähne brechen etwa ab dem 6. Lebensmonat durch und bilden den Grundstein für das sich entwickelnde Milchgebiss sowie für die bleibenden Zähne. Spätestens jetzt sollte die Kariesprophylaxe mit Fluoriden beginnen. Um die Kinder schon früh an das regelmäßige Zähneputzen zu gewöhnen, sollten die Eltern zur Zahnbürste greifen und die ersten Zähnchen mit fluoridierter Kinderzahnpasta (reduzierter Fluoridgehalt 500 ppm) putzen und die eventuelle Supplementierung mit Fluoridtabletten beenden. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät in seiner jüngsten Stellungnahme, nur eine Form der Fluoridprophylaxe anzuwenden, also entweder fluoridhaltige Zahnpasta oder ein Fluorid-Supplement in Tablettenform. Auf Fluorid-Tabletten sollten Eltern übrigens auch dann verzichten, wenn Kleinkinder ab dem 2. Lebensjahr fluoridiertes Speisesalz über die Familienkost erhalten. Umgekehrt sollten Eltern, bevor sie sich für eine Fluorid-Prophylaxe mit Tabletten entscheiden, den Kinderarzt um eine Fluorid-Anamnese bitten. Der Arzt kann in diesem Fall ermitteln, ob das Kind durch Lebensmittel beziehungsweise die verwendete Zahnpasta bereits ausreichend mit Fluorid versorgt ist.3
Zahnarztbesuch ab dem 1. Zahn
„Ich empfehle allen Eltern bereits zu diesem Zeitpunkt einen Zahnarztbesuch. Der Zahnarzt erkennt, ob Schäden vorliegen oder die Zähne kariesgefährdet sind.“ Noch sind die frühen Untersuchungen bei den meisten Kassen keine Regelleistung. Der Gesetzgeber will dies zukünftig ändern, was die Informationsstelle für Kariesprophylaxe begrüßt.
Professor Zimmer verweist in diesem Zusammenhang auf den Erfolg eines interdisziplinären Mundgesundheitsprogramms, das frühkindliche Karies signifikant reduzieren konnte: Im Rahmen des Programmes wurden 2009 und 2010 die Eltern aller Neugeborenen in Jena schon nach der Geburt vom kommunalen Öffentlichen Gesundheitsdienst über Zahngesundheit beraten und zusätzlich zur zahnärztlichen Untersuchung in die Universitätszahnklinik Jena eingeladen. Die Kinder der Eltern, die der Einladung folgten und am Programm teilnahmen, wurden in ein kariesrisikoabhängiges Recallsystem mit kontinuierlicher Betreuung aufgenommen. Nach fünf Jahren wurden 289 Kinder final untersucht: In der Präventionsgruppe (n = 174) gab es signifikant weniger Karies (Prävalenz 10,9 %, durchschnittlich 0,2 dmft ± 0,7) als in der Kontrollgruppe (Prävalenz 57,4 %, durchschnittlich 2,9 dmft ±3,8). Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Karieswerten und Beginn des Zähneputzens, Überwachung bzw. Nachputzens der Eltern, regelmäßige Besuche beim Zahnarzt und der Stilldauer bzw. dem Einsatz der Nuckelflasche sowie niedrigem sozialen Status.4
Quellen:
(1) TEAM DAJ, Greifswald (R. Basner, Dr. R. M. Santamaría, Dr. J. Schmoeckel, Dr. E. Schüler, Prof. Dr. Ch. H. Splieth): Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016 www.daj.de/fileadmin/user_upload/PDF_Downloads/Epi_2016/Epi_final_BB1801_final.pdf (aufgerufen am 3.5.2018)
(2) Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (zahnärztliche Früherkennung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB V) vom 08. Dezember 2004 in der ab 01. Januar 2005 geltenden Fassung; www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/zahnaerztliche_versorgung/rili_g_ba/13_Frueherkennungs-RiLi_2005.pdf (aufgerufen am 3.5.2018)
(3) Stellungnahme Nr. 015/2018 des BfR vom 31. Mai 2018; DOI 10.17590/20180531-085715-0
(4) Wagner Y, Heinrich-Wetzien R: Evaluation of a regional German interdisciplinary oral health programme for children from birth to 5 years of age. Clin Oral Investig 2017; 21(1):225-235
*dmft-/DMFT-Index (mit kleinen Buchstaben als Maßzahl für Milchzähne) gibt den individuellen Kariesbefall an basierend auf der Anzahl kariöser (decayed, D), fehlender (missing, M) und gefüllter (filled, F) Zähne (teeth, T)