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Das Potenzial der personalisierten Zahnmedizin nutzen

Bild: Bigstockphoto / AndreyPopov

Das Potenzial der personalisierten Medizin zeigt sich auch in der Zahnmedizin. Wie dieses genutzt werden kann, diskutierten Zahnärztinnen und Zahnärzte auf dem 32. Kongress der DGI, der vom 29. 11. bis 1. 12. 2018 in Wiesbaden stattfand. Mit dem Motto „Personalisierte Implantologie“ verknüpft war die Frage „Implantologie für alle?“, die sich nicht nur auf Patienten, sondern auch auf die Behandler bezieht. Die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz (Wiesbaden) und Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas (Mainz) erwarteten rund 1500 Teilnehmer aus über 10 Ländern.

Für eine steigende Zahl von Patienten sind Zahnimplantate die erste Wahl, wenn es um Zahnersatz geht. Zahnärztinnen und Zahnärzte implantieren pro Jahr schätzungsweise 1,3 Millionen dieser künstlichen Zahnwurzeln als Träger von Zahnersatz. Implantate tragen Kronen und Brücken, geben Zahnprothesen festen Halt und verankern kieferorthopädische Apparaturen.

Mehr Implantationen

Neben den Möglichkeiten der modernen Implantologie sind ein weiterer Grund für die steigenden Implantationszahlen die schwindenden Kontraindikationen. „In der Implantologie vollzieht sich gerade ein Paradigmenwechsel“, sagt Kongresspräsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz, Wiesbaden. Noch vor wenigen Jahren rieten die Autoren von Lehrbüchern von Implantaten eher ab, wenn Patienten an der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus, an Osteoporose oder schweren Herz-Kreislauferkrankungen litten. Dies hat sich geändert. Entsprechend steigt die Zahl der Patienten, die von Implantaten profitieren.

Mehr Risikopatienten

Doch es gibt auch eine Kehrseite dieser positiven Nachricht: Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen sich auch auf eine steigende Zahl von Risikopatienten einstellen. Dafür sorgen der demographische Wandel, die Epidemiologie chronischer Krankheiten und komplexe medizinische Therapien. „Etwa ein Drittel der Patienten über 25 Jahre, die sich in zahnärztlicher Behandlung befinden, tragen Risikofaktoren“, rechnet Professor Grötz vor. Bei einem gut eingestellten Diabetes-Patienten, der seine Erkrankung unter Kontrolle hat und auf eine gute Mundhygiene achtet, spricht nichts gegen Zahnimplantate. Allerdings sind ausgeprägte Entzündungsprozesse oder die Auswirkungen eines metabolischen Syndroms auf die Blutgefäße bei Diabetikern relevante Risikofaktoren. Dies gilt auch für verschiedene medikamentöse Therapien, wie etwa eine Behandlung mit Antiresorptiva.

Mehr Leitlinien

Was es hier zu beachten gilt, haben die Experten der DGI zusammen mit den Fachleuten anderer Gesellschaften und Organisationen 2016 bereits in Leitlinien beschrieben: Seit zwei Jahren verfügbar sind solche Leitlinien der höchsten Qualitätsstufe S3 zu den Themen „Zahnimplantate bei Diabetes mellitus“ sowie „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva“, zu denen u.a. die Bisphosphonate genannten Medikamente gehören, die bei Osteoporose und Krebserkrankungen eingesetzt werden. In diesem Jahr waren „Implantate bei Immunsuppression und Immundefizienz“ ein Thema bei der 3. Leitlinienkonferenz der DGI Mitte September und bei dem 32. Kongress ist dem Thema „Allgemeinerkrankungen und Implantologie“ eine Plenarsitzung gewidmet.

Leitlinien und Personalisierung passen zusammen

Die von Kritikern oft als “Kochbuch-Medizin” geschmähten Leitlinien sieht Co-Präsident Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas keineswegs im Wiederspruch zu einer personalisierten Medizin: “Leitlinien basieren nicht nur auf der externen wissenschaftlichen Evidenz von Studien, sondern integrieren gleichwertig auch die interne Evidenz, also die Erfahrung der Ärztin oder des Arztes und ebenso die Wünsche der Patientinnen und Patienten. Auf dieser Grundlage ist die Personalisierung quasi Bestandteil einer Leitlinie.”

Personalisierte Implantologie bei Risikopatienten

Die personalisierte Implantologie beginnt bei Risikopatienten bereits bei der Auswahl des Implantatsystems und bei der Planung des Eingriffs. „Wenn beispielsweise ein Patient mit Antiresorptiva behandelt wird und ein Implantat bekommen soll, profitiert er von einem vorgeschnittenen Gewinde. Bei Patienten mit einer Parodontitis in der Vorgeschichte geben Experten einem Implantat den Vorzug, dessen Schulter sich auf der Ebene des Weichgewebes endet“, resümiert Professor Grötz. Bei Patienten mit gestörtem Knochenstoffwechsel ist eine Sofortimplantation nicht angezeigt. In diesen Fällen wartet der Experte vier Monate lang nach der Zahnextraktion ab, wie gut sich im Zahnfach der Knochen regeneriert. „Ich sage den Patienten“, so Grötz, „dass ich erst dann überhaupt beurteilen kann, ob ein Implantat möglich ist.“ Viele moderne Verfahren, die mittlerweile die Implantattherapie verkürzen oder komplexe Therapien erlauben, sind bei Risikopatienten eher keine gute Wahl.

Mehr Kooperationen

Leiden Patientinnen und Patienten an Mundschleimhauterkrankungen müssen auch zahlreiche medizinische Aspekte beachtet werden. Bei bestimmten Erkrankungen, etwa dem Sjögren-Syndrom, einer Autoimmunerkrankung, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen sogar die Kosten einer Implantatbehandlung. In anderen Fällen gilt es zu beachten, dass eine Erkrankung der Mundschleimhaut eine Periimplantitis, einer Entzündung der Gewebe um das Implantat herum, begünstigen kann.

Nicht einfach ist auch die Therapieentscheidung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen. „Bei diesen entzündlichen Erkrankungen gibt es eine wechselseitige Beziehung zur Parodontitis und es werden häufig Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem unterdrücken“, sagt Professor Grötz. Klare Empfehlungen gibt es in diesem Bereich nicht, sondern nur den Rat, die Indikation sehr streng zu stellen.

„Durch die Behandlung von Risikopatienten müssen Zahnmedizin und Medizin sehr eng kooperieren“, sagt Co-Präsident Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Mainz. „Dies hat auch Konsequenzen für den Bereich der Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Implantologie.“ Die rasante technische Entwicklung des Fachgebiets und anspruchsvolle medizinische Therapiekonzepte erfordern eine qualifizierende und zertifizierte Fortbildung, die diese Entwicklungen berücksichtigt, um die Qualität der Implantattherapie zu sichern.
Überblick und Orientierung.

Die Referenten

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Knut A. Grötz ist Direktor der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und MIG-Chirurgie Burgstraße. Er ist Vizepräsident der DGI und damit Präsident elect ab Dezember 2018. Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bilal Al-Nawas ist Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen der Universitätsmedizin Mainz. Er ist Mitglied im Vorstand der DGI und Schriftführer der Gesellschaft.

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