Corona-Pandemie entzaubert Telemedizin
In der Coronakrise offenbart sich, wie schnell die Videosprechstunde an ihre Grenzen kommt und letztlich kaum mehr leisten kann als ein Telefonat. Dietrich betont: "Man kann auch meist nicht von Behandlung sprechen, das ist in der Regel nur Beratung. Tatsächliche Behandlungen, Untersuchungen, Vorsorgen und Check-ups können per Video gar nicht umgesetzt werden und haben daher in den vergangenen Wochen oft nicht stattgefunden." Beispielsweise sind körperliche und apparative Untersuchungen, Blutabnahmen oder Abstriche per Telemedizin schlichtweg unmöglich - das betrifft sowohl die Diagnostik und Behandlung ganz normaler Krankheiten als auch von Covid-19-Erkrankungen. "Auch bestimmte Patientengruppen, wie alte und schwerkranke Menschen, Kinder sowie Patienten ohne IT-Zugang können die Telemedizin oft gar nicht nutzen."
Berichten und Erfahrungen von Ärztinnen und Ärzten zufolge benötigen Videosprechstunden im Vergleich zum Arzt-Patienten-Kontakt in der Praxis zudem oft die doppelte Zeit, um zu einem vernünftigen Beratungsergebnis zu kommen. "Denn die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Arzt und Patient", erläutert der FÄ-Chef, "sind stark eingeschränkt - sowohl auf der psychosozialen als auch individualtherapeutischen Ebene." Aus gutem Grund habe der Deutsche Ärztetag auf Initiative der FÄ die reale Arzt-Patienten-Behandlung klar als "Goldstandard" definiert.
Ohnehin hat die Bevölkerung laut Medienberichten in den vergangenen Wochen Videosprechstunden nicht so stark genutzt, wie manche Anbieter sich das gewünscht hätten. Dietrich wundert das nicht: "Den meisten Patientinnen und Patienten ist klar, dass Telemedizin bei Weitem nicht die gleiche Qualität erreichen kann. Letztlich haben die ausgebliebenen Behandlungen in den Praxen ein erhebliches qualitatives und quantitatives Defizit bei der medizinischen Betreuung der Bevölkerung hinterlassen, dass nun aufzuarbeiten und zu heilen ist."