BARMER-Zahnreport 2020: Deutlich mehr Karies bei Kindern als bisher angenommen
„Zahnpflege darf nicht erst im bleibenden Gebiss beginnen, sondern sollte schon bei den Milchzähnen zur täglichen Routine gehören. Dass hier offenbar deutliche Defizite bestehen, zeigt unser Zahnreport sehr eindrücklich. Das beste Mittel gegen Karies ist immer noch die Prävention. Dazu gehören neben der täglichen Zahnhygiene wie Zähneputzen auch die regelmäßigen Zahnarztbesuche. Doch daran scheint es zu hapern“, sagte Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. Der Anteil der Kinder, die über einen Zeitraum von sechs Jahren überhaupt keinen Kontakt zu einem Zahnarzt gehabt hätten, sei erstaunlich hoch. Bei den Kindern unter sechs Jahren seien es sogar mehr als 15 Prozent. Von den 4,6 Millionen Kindern unter sechs Jahren seien also 720.000 nie beim Zahnarzt gewesen.
Prävention stärker bei Karies-Risikogruppe ansetzen
Laut BARMER-Zahnreport gibt es offenbar einen Zusammenhang zwischen dem Therapiebedarf der Heranwachsenden unter 18 Jahre und dem Einkommen von Vater oder Mutter. Dies lege eine Analyse von bei der BARMER versicherten Eltern nahe. Je geringer deren Einkommen sei, desto häufiger seien auch die Therapieleistungen bei Heranwachsenden. Dabei gebe es wie in vielen Industrie- und Schwellenländern auch in Deutschland eine zunehmende Polarisierung bei der Karies. „Wenige Kinder und Jugendliche haben besonders viel Karies. Wir müssen den Präventions-Fokus stärker auf diese Risikogruppe legen“, sagte Straub. Dies zeige sich eindrucksvoll, wenn man in der Gruppe der unter 18-Jährigen die zehn Prozent betrachte, die die meisten Therapiekosten benötigten. Im Jahr 2010 hätten sie 78,7 Prozent der Therapiekosten auf sich gezogen, während es im Jahr 2018 bereits 85,2 Prozent gewesen wären.
Karies im Milchgebiss weit verbreitet
Wie aus dem Zahnreport weiter hervorgeht, haben Kinder oftmals bereits im Milchgebiss Karies. 54 Prozent der Zehnjährigen in Deutschland, also rund 400.000 Kinder, haben hier schon eine Kariesbehandlung benötigt. Diese Zahlen seien nicht nur aufgrund der Quantität alarmierend. „Wer schon im Milchgebiss Karies hat, wird oft auch Karies und Folgeschäden im bleibenden Gebiss haben. Nicht zuletzt verursacht auch die Milchzahnkaries zum Teil starke Schmerzen und führt dann zu psychischer Belastung von Kindern und Eltern. Es sind in jedem Fall weitere Anstrengungen erforderlich, um die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen im Milch- und bleibenden Gebiss zu verbessern“, sagte Studienautor Prof. Dr. Michael Walter von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden. In diesem Kontext verweise er auch auf deutliche regionale Unterschiede, deren Ursachen medizinisch noch unklar seien. Im bleibenden Gebiss hätten Zwölfjährige beispielsweise im Saarland am wenigsten Kariestherapie. 69,3 Prozent von ihnen hätten laut Reportergebnis noch keine Versorgung gebraucht. In Bremen seien es 68,7 Prozent, in Rheinland-Pfalz immer noch 68,1 Prozent, Schlusslicht sei Hamburg mit 60,9 Prozent.
Fissurenversiegelung weniger haltbar als erwartet
Eine Schutzmaßnahme gegen Karies in den bleibenden Backenzähnen sei die sogenannte Fissurenversiegelung, so Zahnreportautor Walter weiter. Allerdings hielten nur 35,3 Prozent der erstmaligen Versiegelungen bei Heranwachsenden länger als neun Jahre. „Die Haltbarkeit von Fissurenversiegelungen ist geringer als erwartet und bedarf der regelmäßigen zahnärztlichen Kontrolle. Das eigentliche Ziel, eine Karies zu vermeiden, wird aber auf lange Sicht offensichtlich zumeist erreicht“, sagte Walter. So habe sich nur bei 15,7 Prozent der erstversiegelten Fissuren innerhalb von neun Jahren Karies gebildet, sodass eine Füllung erfolgen musste. In über 80 Prozent der Fälle habe eine Versiegelung eine Füllung aufgrund von Kariestherapie mindestens neun Jahre lang verhindern können.